Das Landgericht Bremen hat auf Vorschlag des Verteidigers von Olaf Latzel, so die katholische Nachrichtenagentur (KNA), ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Frage zu klären, in welchem Umfang die Äußerungen von Olaf Latzel gegen Homosexuelle durch die Bibel gedeckt seien und daher als „freie“ Religionsausübung gewertet werden können. Dieses Gutachten soll für das Berufungsverfahren im Januar 2022 herangezogen werden. Latzel hatte gegen seine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 8100 Euro wegen Volksverhetzung durch das Amtsgericht Bremen Berufung eingelegt
Mit dem Gutachten wurde Professor Christoph Raedel, der derzeit als Hochschullehrer an der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen lehrt, beauftragt.
Die Freie Theologische Hochschule Gießen ist eine Hochschule, die Personen für pastorale Berufe, vorrangig in evangelikalen Freikirchen ausbildet. Die FTH Gießen gehört zum Netzwerk der Evangelischen Allianz, dem Dachverband der Evangelikalen in Deutschland. Auch Professor Raedel ist ein ausgewiesener Evangelikaler, der bereits an anderen evangelikalen Hochschulen unterrichtet hat. Er gehört auch dem Arbeitskreis „Christen für das Leben“ innerhalb der CDU an, die ein absolutes Abtreibungsverbot fordert. Außerdem ist er Vorsitzender des Arbeitskreises für evangelikale Theologie, dem zentralen theoretischen Gremium der deutschen Evangelikalen.
Allein die Vorstellung, aus einem 1800 Jahre alten Buch, der Bibel, Ableitungen für das heutige Rechtsverständnis herzuleiten ist schon absurd, und dann noch einen „Gesinnungsgenossen“ des evangelikalen Predigers Latzel mit einem Gutachten zu beauftragen, zeugt von einem ziemlich ahnungslosen Herangehen der Richter*innen am Landgericht und ist ein gezielter Versuch Olaf Latzel durch eine evangelikale Bibelauslegung zum Freispruch zu verhelfen. Mit der Bibel, 5. Buch, Mose 7, Tötung der Kanaaniter, ließe sich auch ein Völkermord an Ungläubigen rechtfertigen.
Das Rechtsverständnis dieses Landes basiert auf dem Grundgesetz und bürgerlichen Gesetzen, nicht auf Bibelauslegungen oder der Scharia und das sollte auch so bleiben.