You are currently viewing Fragwürdiger Aufruf zum „Islamismus“

Fragwürdiger Aufruf zum „Islamismus“

Das konservative „politische Christentum“ will die Deutungshoheit über den Islamismus erringen.

Am 30. Oktober erschien in der Springer Zeitung „Die Welt“ ein Aufruf zum Islamismus in Deutschland. Er kam aus der Feder einiger „Islamexperten“ des deutschen Sprachraums und wurde medial begierig gefördert. Am Ende des Papiers werden fünf konkrete Maßnahmen gefordert, die sich zunächst auf die Erforschung des Islamismus bzw. des politischen Islam beziehen (10 universitäre Lehrstühle) und den Abbruch der Kooperation des deutschen Staates mit Vertretern des politischen Islam und den entsprechenden Islamverbänden.

Angesichts der Anschläge in Frankreich und Wien sicherlich eine zunächst einleuchtende Beschreibung. Bei Betrachtung der Liste der Unterzeichnenden, der Wortwahl des Textes und einiger der gemachten Vorschläge ist politische Vorsicht angebracht, diesen Aufruf und seine Vorschläge zu bejubeln.

Unter den 16 Unterzeichnenden befinden sich 5 Mitglieder der CDU/CSU, die sich wie Carsten Linnemann, stellv. Vorsitzender der CDU Bundestagsfraktion schon mal mit einem Islamgesetz öffentlich positioniert hat. Der stellvertretende Vorsitzende der CSU Fraktion in bayrischen Landtag, Dr. Bausback ist darunter, wie auch Christoph de Vries, stellv. Landesvorsitzender der CDU Hamburg. Gemeinsam ist ihnen, dass sie nach Polizei und Abschiebungen rufen, damit jedoch die Abkapselung und Radikalisierung islamistischer Communities eher verschärfen, als dem Islamismus den Boden zu entziehen. Prominente Mitglieder anderer Parteien finden sich bei den UnterzeichenerInnen nicht.

Weil ja Experten gefragt sind, ist auch ein Theologe der Evangelischen Kirche, Dr. Friedmann Eißler, Religionsreferat der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) mit dabei. Er nimmt auch an den jährlich stattfindenden gemeinsamen Treffen der EKD mit dem Rat der Muslime in Deutschland teil. Dort sitzen auf der muslimischen Seite, Ahmad Aweimer, Dialog- und Kirchenbeauftragter des Zentralrats der Muslime und Dr. Houaida Taraji Vorstandsmitglied und Beauftragte für Frauen, Familie und Gesundheit des Zentralrats der Muslime. Beide sind Hardcore Islamisten aus dem Netz der Muslimbrüder. Die anderen Vertreter stammen von VIKZ und DITIB.

Zu den Unterzeichnern gehört auch der umstrittene Ruud Koopmans, Professor für Migrationsforschung an der Humbolduniversität Berlin.

Ebenfalls als Expertin unterschrieben hat Frau Prof. Christine Schirrmacher, Islamwissenschaftlerin an der Uni Bonn und der katholische Uni Leuven in den Niederlanden. Frau Schirrmacher ist auch als stellvertretende Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Bundeszentrale für politische Bildung tätig. Was in ihrer Legendenzeile des Aufrufs, vermutlich begründet, fehlt ist der Hinweis auf ihre religiöse Heimat. Frau Schirrmacher ist eine Evangelikale. Sie nimmt ständig an den Gesprächen der Evangelischen Weltallianz (600 Millionen Mitglieder) mit muslimischen Verbänden, also den ganz Großen des weltweiten Islam, teil und berät die Führung der Weltallianz zum Umgang mit dem Islam. Informativ ist sicherlich, dass ihr Ehemann, Thomas Schirrmacher, gerade zum Generalsekretär der weltweiten Evangelikalen gewählt wurde.

Den Vogel des „wissenschaftlichen Expertentums“ unter den AufruferInnen schießt jedoch Birgit Kelle ab. Frau Kelle ist Autorin des Buches „Gendergaga“, welches sich sehr einseitig für die Rolle der Frau als Gebährerin und Erzieherin von Kindern ausspricht. Ihre Bücher werden entsprechend vor allem in der rechtslastigen (Junge Freiheit), der evangelikalen (idea) und konservativ katholischen Presse (Tagespost) hochgejubelt. Sie verfasste Kolumnen für „Die Freien Welt“, das Netzportals der AfD-Familie von Storch und unterstützt die erzkonservativen “Legionäre Christi“. Sie mischte bei den „Demos für alle“ mit und tritt für ein absolutes Abtreibungsverbot ein. Sie ist katholisch und Mitglied der CDU und agiert in der Zwischenzone mit der AfD. Sie hat sich auch schon kritisch zum Islam geäußert.

Weiterhin gehören zu den Unterzeichnenden die medialen BegründerInnen eines liberalen Islam, Seyran Ates, Necla Kelek Mouhanad Khorchide und Ahmad Mansur. Auch die Professorin der Uni Frankfurt, Susanne Schröter, die vornehmlich evangelische Gemeinden und Bildunsgwerke mit Wissen zum Islam versorgt, gehört zu den UnterzeichnerInnen.

Die Zusammensetzung des AufruferInnenkreises lässt denn auch eher den Schluss zu, dass sich hier eine Runde von VerteterInnen des „politische Christentums“ zur Erringung der Deutungshoheit über die Islamischen Strukturen in Deutschland versammelt hat. Und dieses „politische Christentum“ ist eine äußerst konservative bis extrem rechte Angelegenheit.

Einige Textstellen belegen die Gedankenwelt aus dem konservativen Weltbild.

Im Aufruftext heißt es: „Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt seit Jahren, dass nicht jeder, der zu uns kommt, dies wegen unserer Werte tut.“ Dabei wäre schon zu hinterfragen welche Werte denn da gemeint sein sollen. Etwa die Werte von Frau Kelle oder Frau Schirrmacher ? Wie die Durchsetzung der Werte des politischen Christentums, bei dem die Auffassungen der evangelikalen bzw. der konservativen katholischen Kirche mittels Staatsgewalt durchgesetzt werden, können wir gerade in Polen mit der erneuten Verschärfung des Abtreibungsverbots beobachten. Auch die zahlreichen Possen aus dem Ministerium des Katholiken Spahn zu Sterbehilfe lassen erahnen, dass das „politische Christentums“ in Deutschland noch sehr wirkmächtig ist. Auch Frau Hänel ist ein Opfer der politischen Einflussnahme der Überzeugungschristen. Die Verwendung der Begriffe „unsere Werte“ dürfte schon eher eine sprachliche Spaltungslinie bedienen. Die und wir. Für Integration nicht sonderlich hilfreich.

Da rennen Menschen vor Bomben, Kriegen und Massakern weg. Diese Fluchtgründe gegen Werte zu stellen ist Wasser auf die Mühlen der Rechten.

Aber in der Tat, die Bundesregierung hat ein Problem verursacht. In zahlreichen Krisenherden und Bürgerkriegen des Nahen Ostens hat die Bundesregierung Konflikt-,bzw. Kriegsparteien medial, materiell oder sogar militärisch durch Waffenlieferungen unterstützt. So landen deutsche Waffen, Hilfslieferungen und aufmunternde Erklärungen bei den Bürgerkriegsparteien mit Sitz in Tripolis, Lybien, bei den Rebellen in Idlib, ein Zusammenschluß von IS, al Qaida und Muslimbrüdern oder die Anhänger des in Ägypten gestürzten Präsidenten Mursi. Waffenlieferungen an Saudi Arabien, die Türkei, Quatar u.a. Staaten, die sich dem Islamismus verschrieben haben, befähigten diese Djihadisten zu unterstützen. Es wurde militant terroristische Tschetschenen und islamistische Uigurenverbände zu Freiheitskämpfern gegen Putin und China inszeniert. Im Falle ihrer Niederlagen, auf der Flucht in Europa angekommen, entpuppten sie sich oft strengste Verteidiger des Propheten und meldeten sich in großer Zahl zum Jihad in Syrien für IS und al Qaida.

Dank der Lageberichte des Bundesaussenministeriums erhalten sie grosszügiger Asyl als Atheisten aus Pakistan, Mauretanien oder Afghanistan.

Die Konservativen und ihre Beziehungen zum Islamismus in Deutschland

Die Forderung des Abbruchs der Beziehungen zu islamistischen Verbänden in diesem Papier der ExpertInnen ist angesichts der Regierungspraxis der UnterzeichnerInnen aus der CDU ein Irrlicht. Die CDU weist in der Bundesrepublik eine hohe Zahl von Mitgliedern, Abgeordneten und Parteifunktionären auf, die dem islamistischen Spektrum zuzuordnen sind. Dazu drei Beispiele. Der stellvertretende Kreisvorsitzende der CDU Wuppertal, Samir Bouaissa, kommt aus der den Muslimbrüdern zuzurechnenden Abu Bakr Moschee in Wuppertal. Der wegen Bildung einer IS Zelle vor dem Landgericht Düsseldorf angeklagte Ravsan B. wurde in dieser Moschee „islamisiert“. Er traf dort auf eine Gruppe von Islamisten aus Tadschikistan. Samir Bouaissa ist zudem Vorsitzender des Zentralrats der Muslime (ZMD) in NRW. Der ZMD ist das legale Netz der Muslimbrüder in Deutschland. Im ZMD sind auch ATIB, der religiöse Zweig der faschistischen Grauen Wölfe und das Islamische Zentrum Hamburg, die Vertretung der Ayatollahs aus dem Iran, führende Mitgliedsverbände.

In Bremen geht der CDU Landtagsabgeordente Oguzhan Yazici in den beiden ATIB Moscheen, beim AKP Ableger UED und den DITIB Moscheen in Bremen ein und aus. Seine Zuordnung zum religös faschistischen Spektrum aus der Türkei ist offensichtlich. In Duisburg stellte die CDU mit Sevket Avci einen Kandidaten zur Stadtratswahl im Jahre 2020 auf, dessen Beziehungen und Aktivitäten zu den Grauen Wölfen und ATIB seit Jahren bekannt waren. Der Versuch auf einem Landesparteitag der NRW CDU im Jahre 2016 einen Unvereinbarkeitsbeschluß mit den Grauen Wölfen herbeizuführen scheiterte an der Mehrheit der Delegierten.

Diese Arbeitsbeziehungen und Positionen von Islamisten in CDU, FDP und selbst der SPD sind hinlänglich bekannt. Wenn Führende Mitglieder der CDU sich jetzt als Islamismusgegner inszenieren, ist dies Täuschung. Die Partei als Ganze, als auch die Politik des Staates, der ja bekanntlich seit 15 Jahren von CDU Personal geführt ist, setzt auf die internationale Kooperation mit Islamisten und hat auch hierzulande kein Probleme damit. Allenfalls einige konservative Christen in der CDU, sei es Katholiken oder Evangelikale, wittern im Islam eine zu bekämpfende Konkurrenz.

Es ist bekannt, dass der Zentralrat der Muslime (ZMD), bestehend aus (Muslimbrüdern, ATIB und Iranischen Islamisten) als auch die türkische Linie der Muslimbrüder, Milli Görres (IGMG) und DITIB mit Millionen aus Etats diverser Bundesministerien, vor allem des Bundesinnenministeriums (Minister Horst Seehofer, CSU) gefördert werden. Es ist doch schlicht anachronistische von der Autorengruppe, ein Arbeitsgruppe gegen den politischen Islam, ausgerechnet in diesem Ministerium zu fordern.

Grundsätzlich hat der deutsche Staat nichts gegen konservative Muslime einzuwenden. Denn die moralischen Werte, Verhalten nach der Scharia von konservativer Muslimen, der wortgetreuen Auslegung der Bibel von konservativen Katholiken oder Evangelikalen sind nur geringfügig anders. Der politische Einfluss der Kirchen z.B. mittels Lobbyisten, ist ja auch für den deutschen Staat keine neue Erscheinung. Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über den eigenen Körper, Gleichberechtigung aller Geschlechter, die Ehe für alle, Sterbehilfe, all diese erkämpften Errungenschaften werden von ihnen gleichermaßen abgelehnt. Einig sind sie sich bei der autoritären Erziehung und und der Errichtung hierarchischen faschistoiden Regierungsformen.

Probleme bereitet es dem deutschen Staat nur, wenn sein Gewaltmonopol angekratzt wird, wie etwa durch eine „Scharia Polizei“ oder islamische Richter, oder wenn ausländische Staaten, die nicht (mehr) zum engsten Freundeskreis gehören, wie die jetzige türkische Führung unter Erdogan, sich anmaßen, in der den deutschen Parteien zugedachten Innenpolitik herumzustochern. Und vor allem muss der „innere Frieden“ gesichert sein. Die Muslimbrüder vom Zentralrat der Muslime stellen sich dabei am schlauesten an. Sie reden vom Dialog und Toleranz der Religionen. Wobei sie nicht an einen ausländischen Staat gebunden sind und damit viele der staatlichen Vorbehalte (äußere Einmischung) entfallen. Wo Muslimbrüder an die Macht gekommen sind, benehmen sie sich wie jedes andere islamistische Regime.

Natürlich darf in dem Aufruf ein Seitenhieb auf die „Linke“ nicht fehlen. Die politische und finanzielle Förderung des Islamismus in Deutschland haben jedoch die konservativen und allenfalls die definitiv nicht linke SPD Führungt zu verantworten.

Der Aufruf aus der Ecke der „IslamexpertInnen“ dient eher der Sammlung der konservativen Unterstützer des „politischen Christentums“ und der politischen Rechten als einer aufklärerischen Islamkritik.