Obervieland – der Bremer Bibelbelt
Obervieland ist ein Stadtteil in Bremen. Hochhäuser mit Mietwohnungen, Häuschen im Garten und gutbürgerlichen Gegenden mit hohem Einkommen und weist eine Besonderheit auf, hier findet sich eine außergewöhnliche Häufung von evangelikalen Kirchengemeinden, Kindergärten und die größte evangelikale Schule Deutschlands mit insgesamt 1500 Schüler*innen.
Der Durchschnitt der kirchlichen Mitglieder in der Stadt Bremen (ohne Bremerhaven) lag 2015 bei 46,7 Prozent. In Obervieland mit den damals 36 000 Einwohner*innen betrug der Anteil von Katholiken (10,7) und Evangelischen Christen 35%, zusammen gerade mit 47,3 Prozent knapp über dem Bremer Durchschnitt. Die langfristige Mitgliederentwicklung im bürgerlichen Ortsteil Habenhausen, innerhalb Obervielands, mit Sitz der beiden Standorte der evangelikalen Schule, weicht jedoch erheblich von der stadtbremischen Entwicklung ab.
In Obervieland gab es 2015 eine katholische Kirchengemeinde und vier evangelische Gemeinden mit zusammen 16 400 Mitgliedern und drei Evangelikale Gemeinden. Die evangelikale Paulus Gemeinde soll nach eigenen Angaben 800 Mitglieder haben, wobei diese aus ganz Bremen und dem Umland kommen. Für die Hoop Kirche (Pfingstler) und die evangelikale freikirchliche Bibelgemeinde liegen keine Zahlen vor.
Zwei der vier evangelischen Gemeinden, Abraham und St. Markus, gehören dem Evangelikalen Netzwerk, Evangelische Allianz an. Der Pastor der Abraham Gemeinde, Rüdiger Kurz ist zusammen mit Olaf Latzel von der Martinigemeinde Mitglied im ultrakonservativen Netzwerk Bibel und Bekenntnis. Somit gibt es neben der katholischen, zwei „normale“ evangelische und fünf evangelikale Gemeinden in Obervieland.
In den evangelikalen Kirchengemeinden haben sechs evangelikale Zuwandergemeinschaften aus Korea, den Philippinen, Russland, Westafrika und dem Iran Unterschlupf gefunden. Diese Gruppen sind als Mitglieder bei der bremischen Evangelischen Allianz gelistet.
Die „Freie Evangelische Bekenntnisschule Bremen“, FEBB, ist mit 1500 Schüler*innen die größte evangelikale Schule Deutschlands mit Klassen von der Grundschule bis zum Abitur mitten im Ortsteil Habenhausen. In dem Ortsteil mit gutsituierten Bürgertum beträgt der Anteil von Privatschüler*innen 34,4 Prozent, das ist Spitzenwert in Bremen. In Oberneuland und Borgfeld, den reichsten Stadtteilen mit einem Ökumenischen Gymnasium liegt die Privatschüler*Innenquote unter 30 Prozent, der Stadtdurchschnitt in Bremen bei ca. 10 Prozent.
Das Image einer „guten“ Schule wird mit zahlreichen Angeboten aufgebaut, die sich vornehmlich an aufstiegsorientierte Eltern richten. Zudem wird suggeriert, dass auf Grund des christlichen Images und des Schulgeldes keine „Schmuddelkinder“ aus den Ortsteilen mit geringem Einkommen, wie Kattenturm oder gar noch aus Familien von Geflüchteten in dieser Schule anzutreffen sind. Die Schule trägt somit erheblich zur sozialen Segration und Spaltung in Stadtteil und Gesellschaft bei.
Christliche Kindergartenplätze dominieren den Stadtteil. Im Jahre 2019 gab es in Bremen 800 evangelische und 350 katholische Kindertaufen (bis 14 Jahren) bei insgesamt 6000 Geburten. Dies entspricht etwa einem Anteil von 20 Prozent.
Bei den Kindergärten im Stadtteil Obervieland gibt es einen erheblichen „Überhang“ christlicher Angebote. Neben drei staatlichen Kitas mit 310 Plätzen gibt es zwei Kitas der Arbeiterwohlfahrt mit zusammen 200 Plätzen und kleinere private Gruppen. Dem stehen acht kirchlichen Kitas mit insgesamt 616 Kindergartenplätzen für die Altersgruppen der 3 bis 6 Jährigen gegenüber.
Mehr als die Hälfte der Kita Plätze im Stadtteil ist kirchlich gebunden. Neben dem katholischen Kindergarten mit 68 Plätzen verfügen die drei „normalen“ evangelischen über 264 Plätze. Zweitgrößte Anbietergruppe im Stadtteil sind die evangelikalen Kindergärten. Die Evangelikalen bespielen/ missionieren 284 Kinder und diese Plätze verteilen sich auf: Kita der Markus Gemeinde innerhalb der Evangelischen Allianz, 70 Plätze, Christliche Elterninitiative, Ziegelbrennerstr. 4, 56 Plätze, Cekis Mohrenshof 1 „Kirchenmäuse“, 90 Plätze und die Kita der Abraham Gemeinde innerhalb der BEK und Evangelische Allianz, 68 Plätze.
Aber auch bei normalen christlichen Kindergärten ist der Missionsanspruch vorhanden. Dies zeigt folgendes Zitat aus der Selbstdarstellung des katholischen Kindergartens. Abgerufen im Juli 2020
„Als christliche Kindertagesstätte fließt die religionspädagogische Arbeit in den Alltag mit ein. Durch das Erzählen und Gestalten biblischer Geschichten, durch gemeinsames Beten und Singen, durch das Erleben von Ritualen und Feiern des Kirchenjahres, machen wir christlichen Glauben bei uns erfahrbar. Hierbei arbeiten wir eng mit dem Pastoralreferent unserer Gemeinde zusammen.“
Darüber hinaus weist der Stadtteil noch einige soziale Angebote aus dem Evangelikalen Spektrum auf, hierzu zählen der evangelikale Werder FAN Club „Totale Offensive“ angeleitet durch den Diakon der Markus Gemeinde Christian Kück, zwei Kleiderkammern und ein Christliches Reha Werk.
Die langfristige Mitgliederentwicklung der Amtskirchen im Ortsteil Habenhausen wird von dieser Dichte der Missionseinrichtungen erheblich beeinflusst.
Anteile Kirchenmitglieder in % 2000 2014 2018 Diff. 2000/2018
Bremen Stadt 57 46,7 41 -16
Stadtteil Obervieland 59,2 47,3 42,2 – 17
Ortsteil Habenhausen 60 51,3 49 – 11
Ortsteil Kattenturm 54,6 42,3 35,5 – 19,1
Quelle Statistisches Landesamt, Datenangebote
Von der Einkommens und Siedlungsstruktur mit Habenhausen vergleichbare Ortsteile Bremens wie Schönebeck (-17) oder Borgfeld (-18) St. Magnus (-17,8) Arsten (- 17,9) haben mit in Klammern angegeben, deutlich stärker sinkende Anteile der kirchlichen Bevölkerung als Habenhausen. Die sinkende Christenrate im gesamten Stadtteil Obervieland resultiert aus der erheblichen Zuwanderung von Personen mit Migrationshintergrund in die Ortsteile Kattenturm und Kattenesch.
Die besonders von den Eltern aus Habenhausen angewählte evangelikale Schule im Ortsteil hat offensichtlich deutliche Auswirkungen auf die Kirchenmitgliedschaft im Ortsteil.
Mission ist möglich. Dies können sich die Organisatoren evangelikaler Einrichtungen mit Sicherheit sagen, wenn sie es schaffen in großem Umfang Schulen und Kindertageseinrichtungen für die Neugewinnung und Einbindung von Mitgliedern einzusetzen.
Hierzu ist anzumerken, dass die Kindergärten als auch die evangelikale Bekenntnisschule weitgehend aus allgemeinen Steuermitteln, dem Haushalt der Bildungsbehörde finanziert werden. Atheisten tragen über ihre Steuerabgaben zur Finanzierung missionarischer Angebote bei.
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