Der letzte Kirchentag der Bremischen Evangelischen Kirche am 29./30. November bestätigte noch einmal die Abwärtsbewegung des evangelischen Christentums in Bremen. Mit Fusionen von Kirchengemeinden wird auf die kleiner werdenden Gemeinden und ihre Funktionsunfähigkeit reagiert. Gab es im Herbst 2022 noch 61 Gemeinden, werden nach den neusten Zusammenlegungen in Vegesack und Hemelingen vorerst nur noch 52 Gemeinden übrigbleiben. Den Berichten des Kirchenvorstands war zu entnehmen, dass zum 1. Juli 2023 wieder 6.000 Mitglieder weniger als im Vorjahr in den Listen verzeichnet waren. Bei den angegebenen Zahlen von 161.000 zum ersten Juli dürften diese heute bei ca. 158.000 liegen, hiervon leben ca. 9.000 im Umland bzw. Bremerhaven. Nur noch jede vierte Bremer:in gehört der evangelischen Kirche an (1970 noch 85 %) und nur 2 % besuchen regelmäßig die Gottesdienste oder Bibelvorlesungen am Sonntag.
Damit verbunden sinken auch die Einnahmen durch Kirchensteuern. In 2023 werden sie um 3 % zurückgehen, angesichts gestiegener Kosten von 6 bis 7 %, ein echter Verlust von fast einem Zehntel. Der Kirchenvorstand kam dann auch zu dem Schluss, dass die geplanten Einsparungen von 30 % bei Gebäuden und Personal bis zum Jahre 2030 nicht ausreichen werden. Entlassungen wird es bei der Kirche wohl nicht geben, von den jetzt ca. 120 Pastoren gehen bis 2030 über 80 in Pension. Es kommen jetzt zahlreiche Immobilien auf den Markt, mit deren Erlösen Finanzlöcher gestopft werden können. Aber immerhin verfügt die Evangelische Kirche Bremen noch über Vermögen von 61 Mio Euro in Finanzanlagen und Aktien.
Wieder einmal kommt der Staat den Kirchen zu Hilfe. Mit dem steigenden Staatsanteil der Finanzierung der kirchlichen Kindergärten auf 100 % ab 2025 gibt es keinen messbaren Zuschuss von Kirchensteuern in soziale Einrichtungen mehr. Die Behauptung, aus der Kirchensteuer würden soziale Projekte und Einrichtungen finanziert, ist ein gut gepflegtes Gerücht. Die Kirche betreibt ihre Sozialeinrichtungen auf Staatskosten und verschafft sich mit dem fremden Geld ein Image als Wohltäterin. Selbst die Krankenhaus-, Haftanstalt- und Polizeiseelsorge wird überwiegend von Staat, Krankenkassen und Krankenhäusern finanziert.
Auch medial wird versucht, dem Abwärtstrend entgegenzuwirken. Radio Bremens Regionalmagazin buten un binnen widmet dem Bremer Dom eine ganzwöchige Serie. Bezeichnend ein Beitrag mit einer Person aus der Jugendgruppe, die berichtete, in ihrem Umfeld würde sie für ein Sektenmitglied gehalten. Auch diese mediale Unterstützung wird die massenhafte Abwendung von einer vormals unhinterfragten Institution mit ihren teils sehr vormodernen und widersprüchlichen Botschaften nicht aufhalten.
Offensichtlich von der Not getrieben verfällt die Kirchenleitung auf fragwürdige Ideen. Schon 1961 hat der Bremer Staatsgerichtshof den Kirchen auf der Grundlage der Landesverfassung untersagt in den öffentlichen Schulen Religionsunterricht zu erteilen. Der Bremer Schriftführer (Landesbischof) Kuschnerus beklagte für Bremen eine schwierige Situation in Bezug auf die Schulen. Aber dennoch will die Kirche eine Arbeitsgruppe ins Leben rufen, die Wege aufzeigen soll, das „Wort Jesu“ auch in die öffentlichen Schulen zu bringen. Schon PIKS (Projekte in Kirche und Schule) ist ein unangemessenes „Instrument“, um der Kirche Zugang zu den Schulen zu ermöglichen. Es bleibt abzuwarten, ob noch weitere Hintertüren zur Missionierung in der Schule gefunden werden.
Deutlich über 90 % der Kirchenmitgliedschaft ist nicht aktiv am Gemeindeleben beteiligt und betritt ein Kirchengebäude höchstens für Hochzeiten und Beerdigungen. Ohne den erheblichen hauptamtlichen Apparat hätten die maximal 3.000 praktizierenden evangelischen Kirchenmitglieder die Größe einer Sekte. Was treibt große Teile der Parteienlandschaft dazu, die Kirche unentwegt finanziell und medial aufzuwerten?