Birgit Bergmann: Die Lobbyistin der Evangelikalen in der Bremischen Bürgerschaft
In Bremen Blumenthal ist Anfang 2020 der Versuch einer evangelikalen Pfingstgemeinde endgültig gescheitert, ein großes missionarisches Sozialzentrum mit Hilfe staatlicher Gelder aufzubauen. Bremer Atheisten hatten nach der Veröffentlichung der Planung die missionarischen Hintergründe dieses Vorhabens öffentlich gemacht und vor der Umsetzung gewarnt.
Jetzt wird das zur Pfingstbewegung gehörende „Sozialwerk Oldenburg“ gegen die Stadt Bremen klagen um auf diesem Wege noch zu einer staatlich finanzierten Missionierungseinrichtung zu kommen. Die Bürgerschaftsabgeordnete Birgit Bergmann lieferte Argumente für die Klagebegründung. Vieles spricht für ein koordiniertes Vorgehen zur Förderung der evangelikalen Infrastruktur zwischen dem pfingstkirchlichen Sozialwerk und der evangelikalen FDP Abgeordneten Bergmann.
Wer ist Birgit Bergmann ?
Birgit Bergmann ist Abgeordnete der FDP in der Bremischen Bürgerschaft. Bereits 2015 schaffte sie den Einzug in das Landesparlament, allerdings auf der Liste der CDU. 2018 trat sie zur FDP über. Für die FDP sitzt sie in drei staatlichen Deputationen; Inneres, Sport und Bildung.
In ihrer Eigenschaft als „Innenpolitische Sprecherin“ der FDP forderte sie unlängst den Rauswurf von Gruppen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, aus dem alten Sportamt. Dieser Vorstoß passt genau zum bibeltreuen Weltbild, denn die Lieblingsfeinde der Evangelikalen, Linksradikale und Muslime, stehen im Vordergrund ihrer politischen Aktivitäten. Frau Bergmann ist als selbständige Unternehmensberaterin tätig.
Über die evangelikale Matthäus Gemeinde in Bremen Huchting (offizielle Anschrift der Evangelischen Allianz (EA) in Bremen, ist sie in das Bremische Kirchenparlament delegiert.. Die EA ist der Dachverband der Evangelikalen innerhalb der BEK, Pfingstlern, Baptisten u.a.) Auf dem Kirchentag der Bremischen Evangelischen Kirche Anfang 2019 wurde sie in den ständigen Ausschuss für „Diakonie und gesellschaftliche Verantwortung“ gewählt.
Hier sitzt sie an einem Tisch mit dem Chef des Diakonischen Werkes in Bremen, Pastor Meyer und anderen Personen aus evangelischen Sozialeinrichtungen und Kindergärten. In diesem Ausschuss dürfte es wesentlich um die Zukunftsplanungen der evangelischen Kirche für ihre Sozialeinrichtungen, Schulen und Kindergärten und deren staatliche Subventionierung gehen.
Frau Bergmann gehört darüber hinaus dem Beirat der „Christlichen Elterninitiative e.V.“ an. Die „Christliche Elterninitiative“ betreibt mehrere Kinder-, und betreute Wohneinrichtungen und war maßgeblich an der Gründung der evangelikalen Evangelischen Bekenntnisschule beteiligt und ist Mitglied der evangelischen Allianz, dem Dachverband der Evangelikalen.
Da sie in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Bildungsdeputation in nahezu jeder Sitzung mit Beschlüssen zu evangelischen Kindergärten und auch den christlichen Privatschulen befasst ist, stimmt sie folglich auch dann immer in „eigener Sache“ ab. Um dieser „Befangenheit“ zu entgehen müsste sie bei jeder Debatte, bei der auch evangelische Einrichtungen betroffen sind, den Sitzungssaal verlassen. In den Protokollen der Bildungsdeputation ist dazu kein Vermerk zu finden.
In der Matthäus Gemeinde absolviert Frau Bergmann derzeit eine Ausbildung zur „Prädikantin“. Auf der Webseite der Kirche findet sich dazu folgender Vermerk: „Die Ausbildung zum Prädikant/in dauert zwei Jahre und fußt auf dem Auftrag an alle Nachfolger Christi, das Wort Gottes zu verkünden und Gemeindemitglieder mit der Gabe der Wortverkündigung gezielt zu fördern.“
Frau Bergmann ist jedoch äußerst aktiv, wenn es darum geht ihr Bürgerschaftsmandat zu nutzen, um die finanziellen Zuwendungen aus den staatlichen Kassen insbesondere an evangelikale Einrichtungen zu fördern.
Dazu zwei Beispiele:
Seit 2018 müht sich die evangelikale „Sozialwerk Oldenburg“ einer evangelikalen Pfingstkirche um die Errichtung eines Missionszentrums in Bremen Blumenthal. Neben Kindergarten und Altenwohnungen sollten auch Sozialberatung, Mittagstisch und Freizeitangebote aufgebaut werden. Natürlich alles aus Haushaltsmitteln der Stadt Bremen finanziert. Das evangelikale Magazin „idea“, das „Zentralorgan“ der deutschen Evangelikalen, der Evangelischen Allianz berichtete voll des Lobes über die Zustimmung des Beirates zum einem der größten evangelikalen Projekte in Deutschland. Doch es kam anders, es formierte sich Widerstand. Zudem stellte sich heraus, dass baurechtliche Bedenken gegen den Standort sprachen. Anfang 2020 kam es zu endgültigen Absage an die Evangelikalen.
Im evangelikalen Magazin, idea, berichtete der Geschäftsführer des evangelikalen Sozialwerkes, Sinnhuber , über die Absicht, gegen die Absage der Stadt zu klagen. Allerdings dürfte es extrem schwierig sein, eine Klage so begründen, da es offensichtlich keinerlei schriftliche Zusage seitens beteiligter Behörden gab.
Am 5. Juni 2020 brachte dann Frau Bergmann eine schriftliche Anfrage in die Bürgerschaft ein. Unter der Überschrift „Licht ins Dunkel bringen“ stellte sie 22 Fragen an den Senat, um Auskunft über die Gründe der Absage zu erhalten. Dabei ist auffällig, dass diese Fragen sich schwerpunktmäßig an der Fragen, wer wann mit wem Ansprachen getroffen haben soll abarbeitete. Für Juristen eine eindeutige Spurensuche nach Ansatzpunkten für eine Klagebegründung. Die Anfrage der FDP wurde vom Senat im Juli 2020 beantwortet. Die Fragestellungen von Frau Bergmann setzten präzise Kenntnisses über den Vorgang voraus, den sie nur aus Gesprächen mit dem evangelikalen Träger erlangen konnte.
Kurze Zeit Später berichtete der Weser Kurier vom 26. September über die Klage des Sozialwerks, die es beim Verwaltungsgericht eingereicht habe, um den Bau der Missionseinrichtung auf dem Rechtsweg zu erzwingen. Ob die Anfrage von Frau Bergmann den Stoff für den Sieg der Evangelikalen vor einem bremischen Gericht liefern konnte, wird erst in einigen Jahren zu erfahren sein. Wahrscheinlicher ist, dass die Evangelikalen einen Vergleich anstreben, um zumindest einen Teil ihres Projekts zu realisieren.
Herbst 2019, ein weiteres Beispiel, evangelikaler Lobbyarbeit.
Mit großem Artikel im Weser Kurier vom 21. Oktober 2019 verkündete Frau Bergmann die Position der FDP: „Bremer FDP fordert mehr Unterstützung für Privatschulen“ zu der sie auch eine Anfrage in die Bürgerschaft eingebracht habe.
Birgit Bergmann nennt diese nicht staatlichen Bildungseinrichtungen „freie Schulen“. Hört sich besser an, als Privatschulen. Bei genauem Hinsehen entpuppt sich dieser Vorschlag jedoch als Lobbykampagne für kirchliche Bekenntnisschulen.
Von den ca. 6300 Schüler*innen, die in Bremen eine sogenannte „Freie Schule“ besuchen entfallen 1800 auf katholischen, etwa 1800 auf evangelikale Schulen in denen gegen die „Ehe für Alle“ gepredigt und praktizierte Homosexualität als Sünde betrachtet wird. 900 Schüler*innen besuchen evangelische Schulen. Werden die ca. 900 Plätze der Walldorfschulen, die ja mit der „Christengemeinschaft“ sogar eine „eigene Walldorfkirche“ im Hintergrund haben, noch diesem christlichen Block zugerechnet, handelt es sich bei den von Frau Bergmann beschriebenen „freien Schulen“ zu 85 Prozent um christliche Überzeugungsschulen, die mit ihren Zum Teil erheblichem Schulgeld (450 Euro monatlich am Nebelthau Gymnasium in Lesum) für die meisten Eltern nicht finanzierbar sind.
Da ist der Vorstoß von Frau Bergmann in doppelter Hinsicht bedenklich, einerseits sollen teure Privatschulen, die einkommensstarken Eltern vorbehalten sind, zusätzlich mit Steuergeldern versorgt werden und andererseits handelt es sich überwiegend um religiöse Schulen. Das die evangelikale Christin Bergmann darin ein persönliches Anliegen sieht mag nicht verwundern. Spätestens seit dem angezeigten Fall der Diskriminierung eines „Trans Mannes“ durch Lehrpersonal an der „Freien Evangelische Bekenntnisschule“ wissen wir. „Frei“ geht es an diesen Missionsschulen oftmals nicht zu.
Lobbyarbeit in Reinkultur
Zahlreiche parlamentarischen Initiativen von Frau Bergmann sind also vornehmlich Lobbyarbeit zur Ausweitung der Angebote christlicher Missionierungseinrichtungen.
Problematisch sind nicht nur die soziale Spaltung, die von diesen Schulen mit Schulgeld ausgeht, sondern auch die Inhalte, die vor allem über die katholischen und evangelikalen Schulen, Kindergärten und Sozialeinrichtungen transportiert werden. Sie machen deutliche moralische Unterscheidungen zwischen Gläubigen und Ungläubigen, pflegen ein rückständiges Frauenbild und betrachten Homosexualität als Sünde.