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Die neue Bunderegierung, christlich wie nie

Eine neue Koalition kommt und mit ihr ein Kabinett, so katholisch und religiös wie es schon lange nicht mehr war. Es droht ein drastischer Rückschritt hin zu einer christlich religiösen Agenda, die die Rechtswende in Deutschland vorantreibt.

Michael Schmidt Salomon, Vordenker der Giordano Bruno Stiftung hatte im Januar 2022 das „säkulare Jahrzehnt“ propagiert. Schließlich waren die Mitgliederzahlen der Amtskirchen stark rückläufig und in der Koalitionsvereinbarung der Ampel fanden sich zumindest Prüfaufträge für die Trennung von Kirche und Staat. Die Hoffnungen auf die Streichung der § 218, 219a und 166 im Strafgesetzbuch, die Veränderungen des Sonderrechts der Kirchen im Arbeitsrecht bei Diakonie und Caritas, hatten einen realen Hintergrund. Aber Schmidt Salomon hatte die Rechtswende und das große Interesse des Staates an funktionierenden Religionsgemeinschaften nicht berücksichtigt.

Auf den letzten Metern der Ampel hätte es die FDP in der Hand gehabt, den § 218 aus dem Strafgesetzbuch zu entfernen. Sie hat gekniffen.

Das säkulare Jahrzehnt war beendet, bevor es überhaupt begonnen hat.

Mit dem Rechtsruck, der aus der Koalitionsvereinbarung von CDU und SPD und aus der Minister:innenriege förmlich hervorquillt, wird auch die „Re-Christianisierung“ neuen Aufwind erhalten. Fast alle Minister:innen haben einen religiösen Bezug, den sie auch schon wiederholt öffentlich bekundet haben. 14 von 18 Personen der Bundesregierung nutzten beim Amtseid die Gottesformel, eine Ministerin glaubt an einen anderen Gott.

Damit ist die religiöse Zusammensetzung der Bundesregierung und die Bekleidung der wichtigsten Staatsämter wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken) umgekehrt proportional zur religiösen Zusammensetzung der Gesamtbevölkerung. Die Kluft zwischen religiös-bekennendem Regierungsspersonal und mehrheitlich nicht-religiöser Bevölkerung war nie so groß wie jetzt.

Eine Personalie sticht dabei heraus. Wolfram Weimer, designierter Kulturstaatsminister, wegen mancher völkisch rassistischen Aussagen in der Kritik, ist ein Verfechter der Re-Christianisierung. In seinem 2021 beim katholischen Bonifatius Verlag erschienenen Buch „Sehnsucht nach Gott – Warum die Rückkehr der Religion gut für unsere Gesellschaft ist“ plädiert er für eine Stärkung der europäischen Expansion in die Welt und träumt von den Zeiten des Kolonialismus. Unabdingbare Voraussetzung sind nach seiner Meinung die Durchdringung mit Gottesglauben und er träumt von einem „neo-religiösen Zeitalter“. Als Staatsminister kann er vom Träumen ins Handeln kommen. Lange schrieb Weimer auch Kolumnen für die evangelikale Zeitschrift -Pro-.

Damit stehen er und andere konservative und rechte Anführer im Staatspersonal nicht allein. In Frankreich dem Musterland der Trennung von Kirche und Staat, gibt es in der Jugend der rechtskonservativen Front National und der vom erzkatholischen Medienzar Bollore beschallten Bewegung eine erhebliche Taufwelle. Auch Donald Trump will die Religion zurück nach Amerika bringen. Evangelikale Prediger und katholische Bischöfe sind seine engsten Verbündeten. Abtreibungsrechte stehen auf der Abschussliste.

Gemeinsam ist ihnen: Rechtskonservative Bewegungen, die Aushöhlung von Demokratie und die dauerhafte Etablierung von Expansionsbestrebungen gegen andere Bevölkerungsgruppen und Staaten propagieren, bedürfen der inneren Formierung. Christliche Religionsgemeinschaften sind ohnehin schon Teil der staatlichen Strukturen, insbesondere der ideologischen Reproduktion und des Bildungswesens. Sie eignen sich durch ihre autoritäre Ideologie – alle Menschen müssen sich an den alten Büchern ausrichten und deren Regeln befolgen – bestens für Staaten die von ihren Untertanen die Befolgung der Anweisungen der Obrigkeit wünschen. Da mit der Eroberung der Leitungsebene in vielen Staaten durch rechtspopulistisch autoritäre Bewegungen auch die stärkere Unterordnung unter die Prinzipien der Profitwirtschaft und die absolute Freiheit für jegliches unternehmerisches Handeln verbunden ist, bringt diese Entwicklung zwangsläufig erkämpfte demokratische und soziale Rechte ins Wanken. Trump ignoriert die Justiz, der Achtstundentag wird in der CDU/SPD Koalitionsvereinbarung zur Disposition gestellt.

Auf der Strecke werden auch die erkämpften Rechte der Frauen bleiben. Religiöse Gemeinschaften sind „Männersache“. Ob katholische Kirche, die überwiegende Mehrheit der evangelischen Kirchen, die orthodoxen Kirchen und insbesondere muslimische Institutionen sind patriarchale Männerbünde, deren wesentliche Intention die Zuweisung von Frauen in die Rolle der Hausfrau und Mutter ist. Friedrich Merz stimmte im Bundestag 1997 gegen ein Gesetz, das Vergewaltigung in der Ehe zur Straftat machte.

Wir werden uns also darauf einstellen müssen, dass durch diese neue Regierung der Religionsunterricht intensiviert wird, mehr christliche Beschallung in den Leitmedien zu hören sein wird, mehr Vertreter:innen christlicher Institutionen in den Ethikräten usw. sitzen werden. Und natürlich: Auch die bestens ins Bild einer autoritären Formierung passenden muslimischen Organisationen werden ihren Anteil abbekommen.

Weimer schreibt in seinem Buch aus 2021: „So ist es kein Zufall, dass die Religion den politischen Raum durch die Tür Amerikas betrat, der einzigen Großmacht des Abendlandes“.

(Seit 1945 haben die USA in 84 Ländern Umstürze und Putsche von Regierungen organisiert, die zum Tode von ca. 4 Millionen Menschen führten. In 21 Ländern haben die USA direkt Militärinterventionen mit eigenen Truppen durchgeführt bzw. waren an dortigen Kriegen beteiligt – mit ca. 12 Millionen Toten).

Da die Rechtswenden in den USA, Europa u.a. der inneren ideologischen Formierung bedürfen, greifen die dort Herrschenden auf die Religionsgemeinschaften als ihrer Ideologie kompatiblen Transformationsriemen zurück. Die gesetzliche Form der Verbindung von Kirche und Staat ist dabei nebensächlich.

Die Regierung Merz wird ihren Beitrag zur Re-Christianisierung leisten wollen. Mit Rechten, Konservativen und Sozialdemokraten ist Säkularisierung nicht zu machen. Die SPD hat sich bundesweit mit Islamisten rund um Milli Görüs verbündet.

Die evangelische Regionalbischöfin Petra Bahr wird neue Staatssekretärin im Bundesbildungsministeriums.

Die SPD geführten Bundesländer Niedersachsen und Bremen gaben den SchülerInnen am 30. April 2025 Schulfrei, damit sie am evangelischen Kirchentag in Hannover teilnehmen können.

Die von den öffentlichen Rechtlichen Sendern und einigen Leitmedien intensivst mit riesigem Zeitaufwand betriebenen Sondersendungen zum Tod des alten und der Wahl des neuen Papstes senden eine eindeutige Botschaft aus: Wir, Staat wollen mit der Kirche wieder eins werden, vergessen die Missbrauchskandale, vergessen dass Frauen in der Kurie nicht vorgesehen sind, vergessen die autoritären Strukturen aus dem feudalen Mittelalter.

Die Propaganda für die Re-Christianisierung läuft bereits.