Die Evangelikalen starten eine „Stadtkampagne“ – Gott spricht in Bremen
Ab dem 6. Juni werden die Bremer Evangelikalen mit einer Großkampagne die Stadt Bremen überziehen. Neben tausenden Plakaten, Flyern bis hin zu Bierdeckeln werden sie riesige Mengen an Material verteilen. In zahlreichen der bibeltreuen Gemeinden werden jetzt „Evangelisten“ ausgebildet und motiviert. Sie werden an Türen klingeln, Infostände organisieren und mit zahlreichen Veranstaltungen und öffentlichen „Lobpreisungen“ für ihre Sache werben.
Für welche Sache stehen sie?
Evangelikale stehen für eine weitgehend wortgetreue Auslegung der Bibel. Die Bibel, bestehend aus den Schriften des Alten und Neuen Testaments, ist Offenbarung des dreieinen Gottes. Sie ist von Gottes Geist eingegeben, zuverlässig und höchste Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung nachzulesen in der „Glaubensbasis“ der deutschen Evangelischen Allianz, dem hiesigen Netzwerk der Evangelikalen.
Damit stehen sie für eine mittelalterliche patriarchale Sexualmoral. Sex vor der Ehe und ohne Ehe ist ebenso wie Homosexualität eine Sünde. Frauen dürfen, wie bei den Katholiken und Muslimen, nicht auf die Kanzel. Sie streiten für das absolute Abtreibungsverbot. Moderne Aufklärung in den Schulen ist ihnen ein Gräuel.
Die ungarischen „Familiengesetze“, die Aufklärung in Schulen über verschiedene Geschlechter und sexuelle Orientierungen strengstens verbieten, werden von ihnen beklatscht. (Idea 17.3.2022) Die Abtreibungsverbote in zahlreichen US-Bundesstaaten lösen bei ihnen Jubel aus. Die evangelikale Organisation „The Familie“ brachte in Uganda ein Gesetz ein, welches lebenslange Haft für homosexuelle Handlung vorsah. Es wurde mit großer Mehrheit im Parlament beschlossen.
Nach ihrer Lesart der Bibel sind Menschen Untertanen, Sklaven Gottes, wie Olaf Latzel es nennt. Und: nach ihrer Auffassung sind die Menschen auch der weltlichen der Obrigkeit zum Gehorsam verpflichtet. Allerdings nur, wenn die Gesetze im Einklang mit ihrer Bibelauslegung überein stimmen.
Es ist bei den Bremer Evangelikalen die gleiche evangelikale Denkart, die sie in Brasilien zu Unterstützern des Faschisten Bolsonaro macht und sie veranlasste, Donald Trump zu unterstützen. Kein Land im Süden Amerikas, in dem sie nicht geschlossen hinter den Kandidaten der politischen Rechten stehen.
Johann Hesse vom evangelikalen Gemeindehilfsbund, Redner auf Querdenkerdemos in Verden und aus dem Umfeld der AfD, predigte zuletzt im Frühjahr 2022 in Olaf Latzels Martini-Gemeinde. Dort bekommt auch der AfD Bundestagskandidat Olaf Kappelt sein Abendmahl und geht regelmäßig zu Latzels Verkündungen.
Autoritäre Weltbilder der Evangelikalen passen genau in die „Anführer-Ideologie“ der politischen Rechten.
Ihre Kampagne Gott spricht in Bremen ist Teil ihrer Missionsstrategie, Teil des großen Wunsches auch der katholischen Kirche (zuständiger Bischof, Tebartz van Eltz) und der politischen Rechten nach der „Rechristianisierung“ Europas.
35 überwiegend evangelikale Kirchen und Einrichtungen aus Bremen machen mit. Die Liste der teilnehmenden Gemeinden ist nahezu identisch mit den Mitgliedern der Evangelischen Allianz in Bremen. Das Konzept stammt aus der evangelikalen Ideenschmiede und Kampagnen Group, Marburger Medien. Anlaufpunkt und Kontaktanschrift ist der Leiter des Missionsprojekts Lighthouse der evangelischen Kirche in Bremen, Johannes Müller. Er wird aus den Kirchensteuermittel der 160.000 Mitglieder der evangelischen Kirche in Bremen bezahlt und gehört auch dem Vorstand der Evangelischen Allianz, dem Netzwerk der Evangelikalen an. Er agiert als evangelikaler Wolf im liberalen Schafspelz der Bremischen Evangelischen Kirche.
Wenn also zwischen dem 6. Juni und 17. Juli an der Tür geklingelt wird, vor dem Einkaufszentrum Infotische stehen oder Lobpreisgesänge erklingen – es ist mehr als nur das Werben frommer Christen für ihren Gott. Hinter dieser Kampagne steht das Konzept einer konservativen Rechristianisierung mit handfesten politischen Zielen. Abtreibungsverbot, biblisch begründete Zurücksetzung von Frauen, Diskriminierung und Ausgrenzung queerer Menschen und die Sehnsucht nach einem autoritären Staat.