Bürgermeister Andreas Bovenschulte hat in der Corona-Regierungserklärung vom 08.12.2021 verlauten lassen, dass es bei der beabsichtigten allgemeinen Impfpflicht auch Ausnahmen geben müsse. Neben gesundheitlichen Gründen will Bovenschulte auch religiöse Überzeugungen als Grund für die Ausnahme von der Impfpflicht anerkennen. Diese Aussage war kein Versprecher, bereits am 3. Dezember äußerte sich Bovenschulte im Fernsehkanal von Springers „Welt“ entsprechend und hat diese Aussage nun wiederholt.
Was treibt den Bürgermeister an? Ist er eigentlich gegen eine Impfpflicht und möchte diese Haltung im Gewand des religiös Toleranten präsentieren. Oder sieht der religionsfreie Bovenschulte, der seinen Amtseid ohne „Gotteshilfe“ ablegte, sich als Senator für Kirchenangelegenheiten (der er als Bürgermeister gleichzeitig ist) dazu verpflichtet, seine Rolle durch solche Zugeständnisse auszufüllen?
Ein Blick auf die Impfverweiger:innen Szene in Deutschland sollte zu denken geben. Hier geht es nicht nur um Esoteriker:innen, Reichsbürger:innen, Waldorf-Antroposoph:innen und Rechtsradikale. Ein sehr großer Teil der Querdenkeraktivist:innen entstammt dem Milieu der Evangelikalen. In ihren Hochburgen, dem Vogtland und dem Erzgebirge in Sachsen oder in Teilen Baden Württembergs ist die Impfquote deutschlandweit am niedrigsten, die Inzidenzen und Todesfälle am höchsten.
In Bremen gibt es denn auch gleich mehrere Religionsgemeinschaften, die zum Teil den Status als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ besitzen und Impfungen generell verweigern, wie die „Mormonen“, die „Christliche Wissenschaft“ oder die „Sieben-TageAdventisten“ und auch „Scientology“. Auch in anderen evangelikalen Gemeinden wird Impfen abgelehnt wie bei der „Christengemeinde“ oder einigen Pfingstler-Gemeinden.
Boventschultes Ausnahmevorschlag kommt einer Verbeugung vor extremistischen Sekten gleich sowie einer Adelung und Anerkennung mittelalterlicher Ideen. Krankheiten mit Gebet und Bibel bekämpfen, das machten Schamanen, Quacksalber und Teufelsaustreiber. Solch unwissenschaftlichem Unsinn sollte gerade in einer Pandemie keine Bühne geboten werden.
Praktisch bedeutet der Vorschlag des Bürgermeisters die Schaffung eines Schlupfloches zur Impfvermeidung, der alle Bemühungen, eine hohe Impfquote zu erreichen, korrumpiert. Nichts einfacher als sich auf religiöse Überzeugungen zu berufen und das Problem mit der Impfung ist erledigt! Wie der Spiegel in seiner neusten Ausgabe berichtet, hat sich in der Querdenken-Szene bereits eine Parallel-Welt aufgebaut, in der sich Gleichgesinnte dabei unterstützen, Corona-Maßnahmen zu umgehen (Ärzte, die „Maskenattests“ auf Bestellung ausstellen, Stellenangebote für Ungeimpfte, Kneipenlisten mit nachlässiger 2G-Kontrolle etc.). Warum sollte der Staat jetzt also vor dieser Szene mit einer „religiösen Ausnahmeregel“ kapitulieren? Dann doch lieber das Wort „Impfpflicht“ gar nicht erst in den Mund nehmen.
Herr Bovenschulte, gehen sie in sich. Menschen ihre Überzeugungen leben zu lassen, ist etwas Anderes als Sekten einen Freifahrtschein für die Verbreitung ihres Unsinns auszustellen und Gemeinden zu Verbreitungszentren in der Pandemie zu machen. Die religiös begründete Impfausnahme gefährdet Menschenleben und führt zum Tode Unbeteiligter.