Die Bremische Evangelische Kirche (BEK) hat am 3. März 2021 einen Kirchentag digital durchgeführt, um den Finanzplan für 2021 zu beschließen. Dabei offenbarten sich den Delegierten erhebliche Problemlagen. Im Jahre 2020 waren die Kirchensteuereinnahmen um fast 10 Prozent ( 6 Millionen Euro) eingebrochen und für 2021 und 2022 wird sich das Dilemma fortsetzen. Der Haushaltsplan 2021 wurde gegenüber 2019 deutlich gekürzt. Bis 2030 wird ein Rückgang der um die Inflation bereinigten Mittel um 30 Prozent erwartet. Es wird folglich zu einer erheblichen Einsparungswelle kommen. Kirchenschließungen, Gemeindefusionen und Personalabbau sind für die BEK unausweichlich. Zeitgleich wurden auch die Mitgliedszahlen der BEK veröffentlicht. Im Jahre 2020 verlor die BEK 6200 Mitglieder und hat jetzt nur noch 176 000 Personen in der vom Staat verwalteten Mitgliederkartei. Nach Abzug der ca. 10 000 Mitglieder aus den niedersächsischen Umlandgemeinden und der „Großen Kirche“ in Bremerhaven, ergibt sich ein Anteil evangelischer Christen an der Gesamtbevölkerung der Stadt Bremen von 29 Prozent. 1970 waren es noch 90 Prozent. Die BEK verlor im Jahre 2020 etwa 3,4 Prozent ihrer Mitgliedschaft. Dies ist ein neuer Rekordwert.
Zudem besteht die Kirche zu ca. 95 Prozent aus „Karteileichen“. Nur 3,5 Prozent, zumeist Grauhaarige, nehmen an Gottesdiensten teil. Nach Empfang der Konfirmationsgeschenke ist für die meisten evangelischen Christen das Kirchenleben beendet.
Die BEK ist mit dem Schrumpfungsprozess der Landeskirchen in der EKD nicht allein. In allen deutschen Großstädten vollzieht sich ein vergleichbare Entwicklung. Bremen ist die einzige deutsche Großstadt mit einer „eigenen“ Landeskirche und daher schlagen sich diese Prozesse in der bremischen Kirche schneller in statistisch ausgewiesenen Werten nieder.
Die Kirchen haben sich in einem Gutachten aus 2019 eine Zukunftsprognose von der Uni Freiburg erstellen lassen. Fazit: 2060 nur noch halb so viele Mitglieder, von 44,8 Millionen in 2017 auf 22,7 Millionen und ein erheblicher Rückgang der Finanzmittel. Das Gutachten mag, basierend auf Zahlen bis 2017 mathematisch zutreffend sein, es kann jedoch nicht politische Trends vorhersagen, die zu Änderungen des Eintritts/Taufverhaltens oder die Zahl der Austritten verändert. Im Bistum Köln der katholischen Kirche dürfte die Prognose der Uni Freiburg wegen der dortigen Massenaustritte schon hinfällig sein.
So hat die Freiburger Studie für die Jahre 2018 bis 2020 einen Mitgliederverlust von 1,7 Millionen prognostiziert, tatsächlich waren es ca. 2,2 Millionen Abgänge. Die Freiburger Studie geht von einem durchschnittlichen jährlichen Mitgliederverlust von 1,2 Prozent der Mitgliedschaft aus.
Die bremische Evangelische Kirche verzeichnete bereits in den vergangenen Jahren Spitzenwerte bei Austritten und Mitgliederverlusten. Diese Verlustquote liegt fast bei dem 3fachen der Prognosen der Freiburger Studie und deutlich über dem Bundesdurchschnitt.
Verlor die Evangelische Kirche in Deutschland zwischen 1990 und 2019 etwa ein Drittel ihres Mitgliederbestandes, so gab es bei der BEK einen Verlust von 45 Prozent der Mitgliedschaft innerhalb dieser 29 Jahre. In Großstädten scheinen die Schrumpfungsprozesse tiefer und schneller voranzuschreiten als in ländlichen Regionen.
Mit der Schließung von Einrichtungen, dem Rückzug aus Stadtteilen, der Personalreduzierung und einem geringen christlich geprägten Bevölkerungsanteil, insbesondere bei jüngeren Menschen, gehen der Kirche auch die sozialen Bindungskräfte beschleunigt verloren. Die Abwärtsspirale dreht sich schneller.
Die BEK hat in ihrer Finanzplanung bis 2030 eine Reduzierung ihres Haushalts um 30 Prozent vorgesehen. Da jedoch die besonders stark in der Kirche vertretene Altersgruppe der jetzt 60- jährigen absehbar in Rente geht, wird somit auch die Kirchensteuer erheblich zurück gehen. Verlustquoten bei den Mitgliedern, starke Jahrgänge ohne Kirchensteuerzahlung und die noch länger fortdauernden Einnahmeverluste durch die Coronakrise werden auch die neue Finanzplanung der BEK zunichte machen. Der Immobilienmarkt wird sich freuen, Kirchenimmobilien kommen bald günstig auf den Markt.
Aber die Bremische Evangelische Kirche hat ja noch einen „weißen Ritter“. Die Stadt Bremen wird ihre Zuschüsse für die evangelischen Kindergärten um Fünf Millionen Euro jährlich erhöhen. Jetzt zahlt die Zentralkasse der Kirche etwa 6,4 Millionen aus Eigenmitteln/Kirchensteuer dazu. Der Trend zur für die Kirche kostenfreien Missionseinrichtung hält an.
Ein guter Zeitpunkt für die Debatten zur Trennung von Kirche und Staat.