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Islamistischer Gelehrtenrat bekämpft Frauenrechte

Die Internationale Union muslimischer Gelehrter, IUMS, die gegenwärtig einflussreichste islamistische Gelehrtenorganisation und ideologisches Dach der Muslimbruderschaft, hat im Januar 2025 auf einer Tagung in der Türkei den Kampf gegen die Entwicklungspapiere der UN wie die Agenda 2030 angesagt. Darin wird vor allem gegen die Gleichberechtigung der Frau, gegen das Istanbul Abkommen, welches Gewalt gegen Frauen ächtet, und gegen LGBTQ Personen polemisiert und deren Unvereinbarkeit mit dem Koran und der Scharia festgestellt. Alle muslimisch regierten Staaten werden zum Austritt aus diesen Abkommen der UN aufgefordert. Da sich auch wesentliche Teile der in Europa agierenden Moscheeverbände wie Millî Görüş und DITIB an den Fatwas und Beschlüssen der IUMS orientieren, hat diese Konferenz unmittelbare Auswirkungen auf Millionen Frauen in Deutschland.

Die „globale Konferenz“ der IUMS fand ab dem 7. Januar 2025 im Sitz ihres türkischen Ablegers der IUMS,der UMAD statt. Teilgenommen haben neben dem Präsidenten der IUMS, Quaradagi auch der stellvertretende Sekretär der IUMS sowie Präsident der UMAD, Abdul Wahab Ekenji. Es war neben den Referenten ein hochkarätiges Publikum der Führungsspitze des internationalen Islamismus und der Muslimbruderschaft anwesend.

Wie die Veranstalter auf ihrer Webseite erklärten würden die Konventionen „eine westliche, einseitige Sichtweise vertreten und deren Bestimmungen in vielen Punkten im Widerspruch zum islamischen Recht stehen.“

Insbesondere im Hauptreferat der Vorsitzenden des Familienausschusses der IUMS, Kamilia Helmi Toulon, bezeichnete diese die UN Agenda 2030 als „Die gefährlichsten Aspekte der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung.“

Auszüge aus der Darstellung der IUMS

  • Erstens : Der Widerstand gegen die legale Frühverheiratung, obwohl die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ die Abschaffung der Frühverheiratung fordert und sie als „schädliche Praxis“ für Mädchen bezeichnet.
  • Zweitens : Förderung illegaler sexueller Beziehungen durch die Gewährleistung eines „allgemeinen Zugangs zu Diensten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit“, einschließlich Familienplanungsdiensten und -aufklärung, und die Integration der sexuellen und reproduktiven Gesundheit in nationale Strategien und Programme bis 2030. Der Begriff „jeder“ umfasst Personen jeden Alters, einschließlich Teenager und unverheiratete junge Menschen.
  • Drittens : Die Legitimierung der Homosexualität durch die Integration des „Geschlechtersystems“ in nationale Politiken und Strategien. Dies suggeriert, dass Geschlechtermerkmale und -rollen gesellschaftlich konstruiert und nicht von Natur aus festgelegt seien, sodass der Einzelne sein Geschlecht und seine Beziehungen frei wählen könne.
  • Viertens : Das Beharren auf der Beseitigung aller Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Bezug auf Rollen, Gesetze und Vorschriften, wobei jede derartige Unterscheidung als „Diskriminierung der Frau“ betrachtet wird, was zur Abschaffung der sich ergänzenden Rollen zwischen Ehepartnern führt, wie etwa der Verantwortung des Mannes für die Führung und der Verantwortung der Frau für die Erziehung der Kinder, was letztlich die Familienstruktur bedroht.“

Diese äußerst sperrigen Formulierung der deutschen Übersetzung laufen jedoch auf folgende Kampfziele hinaus:

  • Die Islamisten möchten an der Option der Frühverheiratung von Mädchen festhalten. Dies ist bei den Taliban, im Iran, Mauretanien und einigen anderen islamistischen Ländern möglich. Im Irak haben die Islamisten einen Antrag ins Parlament eingebracht, der die Verheiratung von Mädchen ab einem Alter von 9 Jahren vorsieht. Vorbild ist der Prophet Mohammed, der seine dritte Frau Aischa im Alter von 9 Jahren heiratete.
  • Die Islamisten möchten jede Form von Aufklärung, Empfängnisverhütung vor allem für unverheiratete Menschen verhindern. Abtreibung ist nach Auffassung der Islamisten verboten.
  • Die IUMS möchte Homosexualität als Straftat und mit dem Islam nicht vereinbar betrachten. Dies führt in einigen islamistisch geprägten Ländern zur Verhängung der Todesstrafe oder zu mehrjähriger Haft.
  • Die IUMS möchte eine patriarchale Rollenaufteilung zwischen Mann und Frau bewahren bzw. durchsetzen. Der Mann hat die Führung und auch das Recht der Strafe mittels körperlicher Gewalt und die Frau ist für Haushalt und Kindererziehung zuständig.

In weiteren Referaten und Thesenpapieren äußerten sich der Präsident der Universität von Tripolis/Libanon, Rashid al Miqati, der Präsident der UMAD, Wahab Ekenji, der Vorsitzende des Schura Rates des Libanon, Asoum Khalil, und der Professor der Al Fatih Universität in Istanbul, Ayman Al-Jamal in eine ähnliche Richtung.

Die Tagung der IUMS hat einen ähnlichen Charakter wie die Familien Kongresse der militanten Katholiken und Evangelikalen, die schon in einigen europäischen Städten wie Verona und Budapest die europäische Rechte einschließlich offen faschistischer Parteien zusammenbrachte. Auch sie zielen auf die Beseitigung der Gleichberechtigung, die individuellen Reproduktionsrechte und die Stärkung der patriarchalischen Strukturen.

Mit der IUMS Tagung wurden die von vielen islamistischen Strömungen propagierte und (dort wo sie an der Macht sind) praktizierte Unterdrückung der Frauen auf eine neue internationale Bühne gehoben. Es geht um nichts weniger als die Aufforderung an die ca. 56 überwiegend muslimischen Länder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit. , aus den Verträgen der UN auszusteigen. Die Türkei hat einen Schritt mit dem Austritt aus der Istanbul-Konvention bereits im Jahre 2023 vollzogen.

Das Wort Scharia taucht in den gesamten von der IUMS publizierten Texten zum Kongress nicht auf, obwohl genau dort die wesentlichen Festlegungen im Familienrecht und im Geschlechterverhältnis nach der streng-religiösen Auslegung des Korans verankert sind. Die Vermeidung des Begriffs hat vermutlich damit zu tun, dass Scharia als negativ besetzt gilt.

Die dargestellten Empfehlungen richten sich nicht nur an die Regierungen der islamisch regierten Länder, sondern gelten auch als Aufruf an Muslime, sich an diesen Empfehlungen zu orientieren bzw. sie in den islamischen Gemeinschaften durchzusetzen. Dies gilt auch für große Teile der Parallelwelt islamistisch dominierter Gemeinschaften in Westeuropa.

Konferenzempfehlungen“:

  1. Eine Empfehlung an islamische Regierungen, sich aus internationalen Abkommen zurückzuziehen, die im Widerspruch zum islamischen Recht stehen, wie etwa CEDAW, die Konvention über die Rechte des Kindes und die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, und sich nicht mehr an Verträgen zu beteiligen, die die Familie bedrohen, wie etwa das Kairoer Bevölkerungsdokument und das Pekinger Dokument.
  2. Fördern Sie islamische Familienchartas, die von angesehenen wissenschaftlichen Gremien herausgegeben wurden, wie etwa die Internationale Familiencharta der Internationalen Union muslimischer Gelehrter, als Alternative zu diesen schädlichen internationalen Dokumenten.“ (leider nur arabisch verfügbar)

Die sich um das Netz aus islamistischen Muslimbrüdern und ihren Gleichgesinnten wie den Taliban, den saudischen Wahabiten, den iranischen Mullahs, der Hamas usw. in den letzten Jahren die dominante Auslegung des Islam herausgebildet hat, die auch die Hegemonie in den muslimischen Verbänden Europas ausübt, sind solche Tagungen in der Regel mit unmittelbaren Auswirkungen auf Millionen Menschen in Europa verbunden. Insbesondere die Sicht der Islamisten auf das Geschlechterverhältnis läuft den hiesigen gesellschaftlichen Auffassungen diametral entgegen. Evangelikale und einige faschistische Bewegungen transportieren ein ähnliches Gedankengut.

UN Resolution Agenda 2030 aus dem Jahre 2015

Die Agenda 2023 der UN wurde auf deren Vollversammlung am 25. September 2025 als gemeinsames Entwicklungsziel für den Planeten beschlossen. Dabei waren die große Mehrheit der Präsidenten bzw. Regierungschefs der Länder anwesend. Unter den 17 Zielen war die Geschlechtergleichstellung das Ziel Nr. 5.

Das vollständige Dokument findet sich hier: https://www.un.org/Depts/german/gv-70/band1/ar70001.pdf

Wer ist die IUMS ? Das Geflecht der Muslimbrüder

Die Internationale Union der muslimischen Gelehrten, IUMS, wurde vom ehemaligen Chefideologen der Muslimbrüder Yossef Qaradawi 2004 gegründet. Der IUMS sollen ca. 60 000 Imame, Hochschullehrer, Führer islamistischer politischer Parteien und andere Gelehrte angehören. Den wesentlichen Personen in der Leitung kann Mitgliedschaft bzw. Nähe zu den Muslimbrüdern nachgewiesen werden. Die IUMS versucht erfolgreich weitere wesentlichen Strömungen des sunnitischen Islamismus zu vereinnahmen. Damit hat die IUMS den erzkonservativen Islam des 8. Jahrhunderts zum Mainstream in der islamischen Welt gemacht. Sitz der IUMS ist in Katar, die wesentlichen Großveranstaltungen finden in der Türkei statt. Die Türkei ist damit zum Zentrum der Ideologieverbreitung der Muslimbrüder geworden.

Die Muslimbrüder verfügen im wesentlichen über drei Ebenen. Die Leitung der weitgehend geheim agierenden „Stammorganisation“ mit Sitz in London und Istanbul. In den einzelnen Ländern verfügen sie zum Teil über politische Parteien, Ennahda in Tunesien, AKP, Saadet und Yenidin Refah in der Türkei, die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung in Lybien oder in Marokko. Daneben verfügt sie über, bzw dominiert, Organisationen, die Religiöse Einrichtungen, politische Partei, bewaffnete Milizverbände und Wohlfahrtsorganisation in sich vereinen, wie die Hamas, Al Isla im Jemen, oder die HTS in Syrien.

Die IUMS übernimmt dabei die Rolle der ideologischen Dachorganisation mittels derer die religiöse, ideologische und letztlich auch die politische Hegemonie hergestellt werden soll.

Der türkische Ableger der IUMS, die UMAD ist die stark mit der staatlichen Religionsbehörde Diyanet in der Türkei verbunden. Die europäischen Einrichtungen wie der europäische Fatwa RAT, der europäische Rat der Gelehrten sind quasi Regionalorganisationen der IUMS und damit ein Teil des theologischen Zweiges der Muslimbrüder. Der Council of European Muslims, CEM, mit 28 Mitgliedsorganisationen, ist die politische Organisation diese islamistischen Bewegung.

In Deutschland verfügt CEM/IUMS über einen Rat der Gelehrten und einen Fatwa Ausschuss. Führende Mitglieder, so der Vorsitzende, Khaled Hanafy, gehören der IUMS an.

Die Moscheeverband DITIB (950 Moscheen) wird von der türkischen Diyanet gesteuert und mit Imamen ausgestattet. Milli Görüs (360 Moscheen) ist personell mit IUMS/CEM verflochten und gilt als die türkische Variante der Muslimbrüder. Die im Zentralrat der Muslime, ZMD, organisierten Verbände verfügen über ca. 350 Moscheen, sie sind bis auf die 80 Moscheen der ATIB (Graue Wölfe) dem Spektrum der Muslimbrüder zuzuordnen. Zu jeder Moscheen gehört in der Regel auch eine Koranschule für Kinder und Jugendliche.

Die Mehrheit der in Deutschland agierenden Moscheen orientiert sich inhaltlich an den Fatwas und ideologischen Einschätzungen der IUMS und der Muslimbrüder. Diese sind auf strikte Umsetzung der Scharia und Islamismus ausgerichtet.