Im Januar 2022 wurde in München ein weiteres Missbrauchsgutachten zu sexuellen Übergriffen innerhalb der katholischen Kirche vorgestellt. Bundesweit gab es einen Aufschrei, sowohl zu den Vorfällen selbst als auch zum Umgang mit der Aufarbeitung der katholischen Kirche und ihrer Bischöfe. „Vertuschung und Verhöhnung der Opfer“ war der einhellige Tenor, auch in den meisten Medien. Es setzte eine neue Austrittswelle ein.
Anders bei Radio Bremen. In der Zeit vom 26. Januar bis 19. Februar 22 gab es beim Bremer Sender vier thematische Beiträge zur katholischen Kirche. Alle mit dem positiven Tenor, „katholische Kirche auf neuen Wegen“. Sollte damit eine Veränderung der autoritären und patriarchalen Strukturen und des veränderten Umgangs mit Homosexualität suggeriert werden? Tatsächlich hat es keine relevanten Veränderungen gegeben. Kein einziger Bischof hat von seinem verbrieften Recht Gebrauch gemacht, eine Frau zur Priesterin zu weihen, in keinem Bistum wurden die Missbrauchsakten den Staatsanwaltschaften übergeben. Die große Mehrheit der deutschen Bistümer hat zum Umgang mit gleichgeschlechtlich Liebenden innerhalb der Kirche bisher geschwiegen. Schweigen kann als Zustimmung zur Linie der Glaubenskongregation
in Rom (praktizierte Homosexualität ist Sünde) gewertet werden.
Eine Erklärung für die positive Berichterstattung könnte in der neuen Intendantin, also der Chefin, des Senders liegen. Frau Yvette Gerner trat ihren Job als neue Intendantin zum 1. August 2019 an. Zu ihren ersten Vorlagen, die den Rundfunkrat passieren sollten, gehörte die Benennung einer „Kirchenbeauftragten“ bei Radio Bremen. Diese Position sollte die von den Kirchen eingereichten Verkündungssendungen, also Gottesdienste und Morgenandachten, koordinieren. Spannend war auch die Personalie. Die mit dieser Aufgabe beauftragte Redakteurin gehörte über mehrere Jahre dem Kuratorium der „Stiftung menschlich“ innerhalb der Inneren Mission der evangelischen Kirche an. Zufall?
Jetzt hat der katholische Gemeindeverband auf seiner Webseite verkündet, dass Frau Yvette Gerner am 6. März in der St. Johann Kirche eine Predigt gehalten hat. Überschrift: „Die erste Predigt von Intendantin Gerner“. Frau Gerner hat, so aus ihrer Predigt ersichtlich, ihre Jugend in der katholischen Jugend einer Kirche in Speyer verbracht und war dort auch Messdienerin. In ihrer Predigt äußert sie große Empathie für die katholische Kirche. Bereits im Herbst 2021 beteiligte sich Frau Gerner im katholischen Gemeindeverband als Podiumsteilnehmerin an einer Tagung zur Zukunft der katholische Kirche.
Natürlich will niemand auch einer Intendantin das Recht absprechen, sich religiös zu betätigen. Aber hier scheint doch ein deutlicher Bezug zwischen ihrem Agieren als Intendantin und ihren persönlichen Glaubensüberzeugungen zu bestehen.
Frau Gerner ist mit der Nähe zwischen Kirchen und öffentlichen Medien nicht allein. Unlängst musste Prälat Wolf, in die Vertuschung von Missbrauchsfällen im Bistum München involviert, seinen von der Kirche bezahlten Nebenjob als Rundfunkratsvorsitzer des Bayrischen Rundfunks ruhen lassen. Bei mehreren ARD Sendeanstalten bekleiden Kirchenvertreter wichtige Posten in Rundfunk,- und Programmbeiräten.
Mehre Intendanten, so etwa ZDF Chefredakteur Frey, gehörten dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an oder hatten Verträge zur Beratung der Bischofskonferenz für deren öffentliche Auftritte und Medienstrategie.
Kirchenkritische Berichterstattung dürfte es bei Radio Bremen schwer haben.
(Nur noch 38 Prozent der Menschen in Bremen sind Mitglied der evangelischen oder katholischen Kirche)